3. Mai 2013

Jenseits der Zugehörigkeit

Als soziale Wesen sind wir von klein auf gebunden an die Familie und ihr Umfeld. Dort fühlen wir uns zugehörig und wohl. Die Regeln, die Denkweisen, die Religion, die dort gelten, sind  eingewachsen in Fleisch und Blut.

Wenn wir denken und tun, was unsere Gruppe tut, dann machen   wir nichts falsch. Es wird empfunden als tiefe Glückseligkeit, einer Meinung zu sein  und dazugehören zu dürfen.

Was geschieht mit uns, wenn wir diese Ebenen verlassen. Laut Hellinger bekommen wir ein schlechtes Gewissen. Dies Auszuhalten     gehört zum natürlichen Erwachsenwerden.

Aber so einfach vollzieht sich dieser Übergang nicht, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, nach Verbundenheit schwellt tiefer. Bei bestimmten Änderungen gegenüber dem Alten und Eingefleischten fühlen wir uns ausgegrenzt und auf einer tieferen Ebene des Todes schuldig bzw. dem Tode ausgeliefert, nicht mehr gesehen, nicht mehr beachtet. Es ist kaum auszuhalten.

Stammesgeschichtliche Erinnerungen holen uns ein. Weil wir dieses Gefühl des Ausgestoßen-Seins und der Todesangst nicht aushalten können, neigen viele dazu, die Regeln, wenn auch widerspenstig einzuhalten, um doch wieder dazugehören zu dürfen.

Was befreit aus dieser Zwangslage? Nur die Einsicht, dass eine schöpferische Kraft, wie Hellinger sie nennt, die Bewegung genauso will, wie es eben gerade geschieht. Sie will weiter nach vorne, sie will den Fortschritt.

Wir werden von ihr geführt, bewusst oder nicht, und müssen anerkennen, dass sie es so will, obwohl ein scheinbar über alles stehendes frühgeschichtliches Zugehörigkeitsband uns unerbittlich an das Alte zu heften sucht. Es vollzieht sich ein Kampf zwischen unserer menschlichen Herkunft und Bindungsliebe und der schöpferischen Energie.

Eine schöpferische Energie will die neue Bewegung, egal, was es dem Einzelnen kostet, weil es in ihm wirkt und da sich vollzieht.

Die Lösung lässt sich auf einer höheren Ebene finden. Weil diese Kraft es so will, bleibt uns nichts anderes übrig als das Alte, alte Freunde, die Familie, die Gruppen, denen wir angehören, für immer zu achten, obwohl wir sie, was Regeln, Status, Überzeugungen, Religion und andere Glaubenssätze betreffen, verlassen müssen um zu wachsen.

Es treibt uns nach vorne zu Neuem hin, zum Leben, zur Erweiterung der Einsichten, die das Alte, was einer einzelnen Gruppe dient und die Ganzheit außer Acht lässt, überwindet. Das Neue will offene und weite Einsichten im Dienst aller Menschen, allen zugewandt ohne Ausschluss, Ausgrenzung – friedlich zum Menschsein sich hin entwickelnd.

Da alle von dieser Kraft geführt werden, sind wir auf dieser Ebene mit allen verbunden und gleich, ohne dasselbe denken und tun zu müssen.

 

 

Hermann Furthmeier